Zu Gast: Decarbonizing Transportation
Andrew Salzberg spricht mit Dan Sperling – mit eine Weisheit der Queen of Green
Heute gibt es gleich zwei Premieren in diesem noch jungen Newsletter: Ich freue mich über den ersten Gastbeitrag aus den USA. Er erscheint außerdem erstmals komplett auf Deutsch. Ich bin sicher, liebe Leserinnen: Ihr werdet es nicht bereuen.
Ich habe Andrew Salzberg letztes Jahr im Rahmen eines MIT-Programms zur urbanen Mobilität kennengelernt: er war damals LOEB Fellow an der Harvard University und Policy Advisor für Biden for President. Kurz darauf startete er den hervorragenden Newsletter Decarbonizing Transportation, welchen ich an dieser Stelle bereits wärmstens empfohlen habe. Heute ist Andrew Head of Policy bei Transit sowie Berater bei Populus und ClimateView.
In seiner aktuellen Ausgabe interviewt Andrew Daniel Sperling – dem Doyen der Dekarbonisierung im Verkehrssektor. Er ist der Gründungsdirektor des Institute of Transportation Studies an der UC Davis und Kommissionsmitglied für Automotive Engineering im California Air Resources Board. Er diente zweimal als Hauptautor für das IPCC, sagte achtmal vor dem US-Kongress aus und hat eine Menge zu diesem Thema geschrieben, einschließlich eines kürzlich erschienenen Buches.
Was Andrew fragt und Dan antwortet ist wert, auch in Deutschland gelesen zu werden. (Ich empfehle insbesondere den Vergleich der PHEV-Policies in USA und EU sowie die Weisheit, die Dan von der Queen of Green Mary Nichols gelernt hat.) Als ich ihn fragte, hat Andrew sofort eingewilligt, dass ich hier sein Interview samt Einleitung in Deutsch wiedergebe:
Ich habe mich an Dan gewandt, da er einer der Hauptautoren eines großen Dekarbonisierungsberichts ist, der im letzten Herbst herauskam – der Zero Carbon Action Plan (ZCAP). Den Abschnitt zum Transportwesen ist auf S. 188 zu finden.
Unser Gespräch deckt einige kontroversen Themen ab, welche oft Debatten auslösen:
Wie sehr sollten wir darauf abzielen, den Autoverkehr zu reduzieren, und wie sehr sollten wir uns auf die Elektrifizierung von Fahrzeugen konzentrieren?
Sind Plug-in-Hybride ein echtes Mittel im Kampf gegen das Klima?
Wird unsere neu entdeckte Liebe zur Telearbeit die Emissionen senken oder erhöhen?
Welche Rolle spielt (wenn überhaupt) Wasserstoff als Transportkraftstoff?
Keiner arbeitet länger an diesen Themen als Dan, was für ein großartiges Gespräch sorgte.
Andrew Salzberg (AS): Lassen Sie uns über den Zero Carbon Action Plan for the United States (ZCAP) sprechen. Die beiden Hauptstrategien, für die Sie plädieren, sind der Umstieg auf emissionsfreie Fahrzeuge und die Reduzierung der Verkehrsnachfrage. Es gibt Befürworter beider Strategien, und sie sind nicht immer einer Meinung. Wie denken Sie über die Kombination dieser beiden Ansätze?
Dan Sperling (DS): Es gibt einige Spannungen, wenn man über die Reduzierung von Mobilität, gemessen in Vehicle Miles Travelled (VMT), spricht. Die Gegner der VMT-Politik verweisen auf amerikanische Werte wie Freiheit und Unabhängigkeit und weniger staatliche Eingriffe. Sie sagen auch: "Wenn ihr die Fahrzeuge elektrifiziert, warum müssen wir dann überhaupt über eine Reduzierung der VMT sprechen?" Das ist das größte Gegenargument.
Auf der anderen Seite dieses Kampfes stehen diejenigen, die "Anti-Auto" sind, selbst wenn es um Elektrofahrzeuge (EVs) geht – aber in den Vereinigten Staaten ist das eine wirklich winzige Gruppe. In Europa ist das anders. Dort sind die Anti-Auto-Befürworter viel mächtiger. Hier sind sie kaum auf dem Radar zu sehen.
AS: Sie bemühen sich in Ihrem Plan wirklich darum, dass jene die sich Sorgen machen, dass wir unsere ganze Energie in Elektroautos stecken, einbezogen werden.
DS: Wissen Sie, nachdem mein letztes Buch herauskam, habe ich 70 Vorträge in einem Jahr gehalten. Überall, von den Firmensitzen von Uber und Lyft bis zu Stadträten und NGOs. Und ich habe gelernt, dass wir, wenn wir im politischen Prozess effektiv sein wollen, niemals mit der Reduzierung des motorisierten Verkehrs einleiten sollten. Das findet wirklich keine große Anhängerschaft. Wir sollten damit anfangen, dass wir Mobilität und Zugänglichkeit1 zu unserem Transportsystem erhöhen wollen. Mit anderen Worten, wir wollen die Anzahl der zurückgelegten Passagiermeilen erhöhen, aber die Anzahl der zurückgelegten Fahrzeugmeilen reduzieren, indem wir die Menschen dazu bringen, andere Verkehrsmittel als ihr eigenes Auto mit nur einem Insassen zu benutzen. Ich denke, das ist eine viel bessere Formulierung.
Wir sollten auch über die steigende Bedeutung der Environmental Justice (EJ)-Bewegung nachdenken. Auf die Frage der Umweltgerechtigkeit kann man antworten, indem man sich auf die Erhöhung der Mobilität und Zugänglichkeit konzentriert. Meiner Meinung nach ist ein Bereich, in dem die EJ-Bewegung bei der Verwirklichung ihrer selbstgesteckten Ziele hinter ihren Möglichkeiten bleibt, die Ablenkung durch Initiativen für Elektrofahrzeuge (EV). Ja, E-Fahrzeuge bringen Vorteile für die lokale Umwelt und die Gesundheit. Aber, wie Sie wissen, werden neue Fahrzeuge von wohlhabenden Menschen gekauft. Ungefähr 30% der Haushalte in den USA kaufen fast alle neuen Fahrzeuge. Jeder andere kauft gebrauchte Fahrzeuge. Die Fokussierung auf Elektroautos bietet also nicht so viel Nutzen für Gemeinden mit geringem oder sogar mittlerem Einkommen, wie ein besseres Mobilitätsangebot.
Wir wollen, dass jede Gemeinde ihre eigene Top-Priorität bestimmt, wenn es um die Dekarbonisierung des Verkehrs geht. Für viele Gemeinden sind Elektroautos wahrscheinlich nicht die oberste Priorität. Die könnte alles Mögliche sein: von der Verbreiterung von Gehwegen über die Verbannung großer LKWs aus der Nachbarschaft bis hin zu einer besseren Verkehrsanbindung. Meiner Meinung nach ist das Ziel, Zugänglichkeit und Mobilität zu verbessern – aber auf eine Art und Weise, die das Verkehrsaufkommen nicht erhöht. Das bedeutet mehr und besseren ÖPNV, Fahrradinfrastruktur, Motorroller, subventioniertes Ride-Hailing sowie ein besseres Internet für E-Commerce, Telemedizin und Telecommuting.
AS: Inwieweit unterstützen diese VMT-bezogenen Maßnahmen direkt die Dekarbonisierung?
DS: Die Reduzierung des Verkehrsaufkommens ist wichtig, aber nicht annähernd so wichtig wie Elektrofahrzeuge, wenn es um die Dekarbonisierung geht. Die Reduzierung des Verkehrsaufkommens ist aus vielen anderen Gründen wichtig, z.B. in Bezug auf Gesundheit, nachhaltige Städte, lokale Verschmutzung, effiziente Landnutzung und vieles mehr. VMT ist in der Tat wichtig für den Klimawandel, denn wenn wir so weitermachen wie bisher, wird es richtig schwer sein, den Verkehr zu elektrifizieren. Bei den gegenwärtigen Trends werden wir bis 2050 50 % mehr VMT und Autobesitz haben. Wenn wir das Verkehrsaufkommen und den Autobesitz nicht reduzieren, wird es wirklich sehr schwer werden, eine 100-prozentig elektrische Zukunft zu erreichen.
Aber, technisch gesehen, ist es auch wichtig den Autobesitz zu reduzieren, da jedes Auto allein durch seine Herstellung einen großen Kohlenstoff-Fußabdruck hat. Bei batteriebetriebenen Elektroautos entfallen etwa 15 bis 20 % des gesamten Kohlenstoffausstoßes auf die Herstellung. Wir können und werden den Einsatz von fossilen Brennstoffen für die Herstellung reduzieren, aber es bleibt immer noch eine Menge Material. Es ist wirklich eine Menge Zeug. Wenn wir ein völlig autoorientiertes Transportsystem haben, wird es grundsätzlich schwieriger sein, es zu elektrifizieren. Es bedeutet mehr Straßen- und Parkinfrastruktur, mehr Energieinfrastruktur, mehr Platz für Autos, mehr von allem. Wenn ich also über eine Zukunft mit weniger Autoverkehr, aber mehr Personenverkehr spreche, konzentriere ich mich auf mehr Fahrgemeinschaften und Shared Services, mehr Mikromobilität und eine bessere Integration der Verkehrsträger.
AS: In dem Bericht heißt es, dass das Wichtigste für die Dekarbonisierung des Verkehrs ein nationales Verkaufsmandat für Elektrofahrzeuge ist. Was denken Sie über die Aussichten einer nationalen EV-Verkaufsverpflichtung in den nächsten vier Jahren oder darüber hinaus?
DS: Unwahrscheinlich, leider. Und wenn es doch passiert, wird es wahrscheinlich deutlich schwächer sein als das, was Kalifornien und die 177 Bundesstaaten2 machen. Ich glaube wirklich, dass das Wichtigste, was eine neue Bundesregierung tun könnte, ist, Kalifornien und die anderen Staaten weitermachen zu lassen. Kalifornien hat sich zu einem 100%igen EV-Verkaufsmandat für 2035 verpflichtet, oder etwas, was dem sehr nahe kommt. Zählt man die anderen 177 Bundesstaaten hinzu, sind das 30 bis 40% des US-Marktes. Das wird wahrscheinlich genug sein um die ganze Industrie voranzutreiben. Schließlich geht der Rest der Welt in diese Richtung und die USA hinken hinterher. Die Autoindustrie wird dasitzen und sagen: "Okay, die EU wird elektrisch, China wird elektrisch, und die Hälfte der USA tut es auch." Also Job erledigt – fast.
AS: Zu dem Thema, dass man den Bundesstaaten und Kommunen die Führung bei diesem Thema überlassen sollte, gibt es in dem Bericht einen kleinen Absatz über Umweltzonen. Soweit ich weiß, hindert der Clean Air Act US-Städte daran, Umweltzonen einzuführen.
DS: Es könnte sein, dass es einige Maßnahmen auf Bundesebene geben muss, um dies zu ermöglichen, oder einige clevere rechtliche Strategien. Aber die USA sind nicht sehr gut für Umweltzonen aufgestellt. Wir haben so viel Zersiedelung und so viel Fahrzeugaktivität.
Ich denke, dass im Frachtbereich die interessanten Möglichkeiten für eine geografische Regulierung der Emissionen liegen. Es könnten Regeln sein, die vorschreiben, dass man entweder einen emissionsfreien oder einen NOx-armen Lkw betreiben muss. Neue Technologien haben diese Art der Beschränkung einfacher gemacht. Ich denke, dass die Möglichkeiten bei Lkw wahrscheinlich größer sind, zum Teil, weil sie eher ein Thema der Umweltgerechtigkeit sind. Und das bedeutet, dass es mehr Unterstützung dafür gibt, etwas zu tun.
AS: Ich habe in Europa viel darüber gehört, dass Plug-in-Hybride ein Dieselgate sind, das nur darauf wartet, zu passieren. Was ist Ihre Meinung zu Plug-in-Hybriden?
DS: Die Situation in Europa ist völlig anders als in den USA. Die Testverfahren und die Anreizsysteme sind sehr unterschiedlich. Die Europäer geben enorme Anreize für Plug-in-Hybride. Und die Kauf- und Verkaufsanreize sind so groß, dass sich die Leute weniger auf den tatsächlichen Betrieb mit Strom konzentrieren. Wenn es unbequem ist zu laden, dann ist es keine große Sache – zumindest in der Erfahrung vieler Käufer. Und dann gibt es noch das Firmenwagen-Phänomen. In vielen europäischen Ländern sind fast die Hälfte der Fahrzeugverkäufe Firmenwagen. Auch hier sind die Fahrerinnen weniger darauf bedacht, das Auto aufzuladen. Hinzu kommt, dass es in vielen Unternehmen antiquierte Regeln gibt, nach denen man zwar den Kraftstoff, nicht aber den Strom erstattet bekommt. Hinzu kommt, dass die Autohersteller großzügige Gutschriften in der CO₂-Regulierung erhalten, was sie dazu ermutigt, den Verkauf zu subventionieren. Das ist nicht unbedingt schlecht, außer dass es viele Verkäufe von reinen Elektrofahrzeugen zu Plug-in-Hybriden verschiebt. Hier in den USA haben wir nicht die gleichen Verzerrungen. Ich denke, dass PHEVs eine Schlüsseltechnologie sind, sicherlich für die Übergangszeit zu Elektrofahrzeugen, und vielleicht sogar weit darüber hinaus.
AS: Wir sollten über Wasserstoff sprechen. Im ZCAP scheint Wasserstoff eine relativ geringe Rolle zu spielen, eher für schwere Nutzfahrzeuge und vor allem später in den 2030er Jahren.
DS: Es gibt definitiv eine mögliche Rolle für Wasserstoff bei schweren Nutzfahrzeugen, und ich bin mir nicht 100%ig sicher, dass der Kampf für leichte Nutzfahrzeuge vorbei ist. Viele Leute sagen, dass die Batterie den Kampf um die leichten Nutzfahrzeuge gewonnen hat, aber ich bin mir nicht sicher, ob das richtig ist. Wir haben noch einen langen, langen Weg vor uns, sogar in Kalifornien. Wir sind erst bei 8% der Verkäufe von emissionsfreien Fahrzeugen. (Batterie-)Elektroautos werden für viele Leute problematisch sein: Vielleicht leben sie in einem Mehrfamilienhaus, sie haben keinen Platz zum Aufladen, sie machen viele lange Fahrten, usw. Die ersten 30 oder 40% der Fahrzeuge werden wahrscheinlich am einfachsten auf Batteriebetrieb umzustellen sein. Die letzten 30% werden sehr schwierig sein. Und dann könnten Brennstoffzellen ein Comeback feiern. Wir bauen Wasserstofftankstellen in Kalifornien, und zwar sowohl für Lkw als auch für Pkw. Die großen Lkw-Hersteller beschäftigen sich mit Wasserstoff fast so sehr wie mit Batterien.
AS: In letzter Zeit gibt es einen unglaublichen Geldfluss in die EV-Welt, was definitiv nicht der Fall war, als Sie in den 1980er Jahren mit diesem Thema anfingen. Was denken Sie über die neue Finanzierungslandschaft? Sind Sie begeistert davon? Sind Sie besorgt, dass es uns um die Ohren fliegen wird?
DS: Der Hype hat seine Rolle. Wir als Analytiker und Forscherinnen kritisieren gerne den Hype. Aber man braucht ein gewisses Maß an Hype. Ähnlich wie wir als Individuen ein gewisses Maß an Optimismus brauchen, oder? Das ist analog dazu. Man will natürlich nicht, dass die Sache aus dem Ruder läuft, aber wenn der Hype nicht da ist, sieht man auch keine Investitionen, kein Engagement der Stromversorger, der Kommunen, die Ladestationen zulassen, und so weiter.
Eine kleine Anekdote dazu aus der Zusammenarbeit mit Mary Nichols, als Boardmitglied bei CARB. Ich habe viele Dinge von ihr gelernt, aber eines der wichtigsten Dinge, die ich gelernt habe, ist, dass man, wenn man etwas verändern will, einen Pflock in den Boden schlagen muss, man muss ein wirklich aggressives Ziel setzen, auch wenn es wenig Hoffnung gibt, es kurzfristig zu erreichen. Denn das bringt die Leute dazu, ehrgeizig darüber nachzudenken. Und es ist auch so, dass jede dieser Veränderungen, über die wir sprechen, eine Zusammenarbeit aller möglichen Institutionen, aller möglichen Regeln und Praktiken erfordert. Und wenn man nicht die Aufmerksamkeit dieser Leute bekommt und sie nicht anfangen, in diesen Organisationen darüber nachzudenken, wird es nicht passieren. Es ist ein ganzes Ökosystem, das sich zusammen bewegen muss. Ich war immer skeptisch. Ich habe mit den Augen gerollt und gesagt "Komm schon, Mary." Und sie sagte: "Nein, nur so passiert Veränderung." Und sie hat mich überzeugt.
AS: Also kann Hype helfen?
DS: Ja, aber man will nicht, dass es zu sehr aus dem Ruder läuft. Da denke ich auch an automatisierte Fahrzeuge (AV). In den Jahren 2015 und 2016 gab es einen großen Hype um AVs. Ich habe das in meinem jüngsten Buch hervorgehoben. Aber am Ende des Tages werden wir einen Übergang zu automatisierten Fahrzeugen erleben. Der Hype bringt Investitionen und lockt mehr Ingenieure an. Und so ist es auch passiert. Der Hype ließ vor ein paar Jahren nach, Unternehmen verschwanden und die Investitionen gingen zurück. Aber es war eine Zeit des gesunden Rückschritts. Jetzt geht es wieder vorwärts. Sie sehen Cruise, Zoox, Waymo und viele andere, die vorankommen. Sie alle sprechen davon, Stufe-4-AVs ausgerechnet in der Innenstadt von San Francisco zu betreiben.
AS: Eine kurze Frage zu EVs. Offensichtlich ist eine Nebenwirkung von Elektrofahrzeugen, dass die Grenzkosten des Fahrens sinken, weil das Aufladen so viel billiger ist als das Tanken. Inwieweit ist das ein Problem? Ist das nur ein Kompromiss, mit dem wir arbeiten müssen?
DS: Die Theorie besagt, dass eine Senkung der Kosten für das Autofahren zu einer Erhöhung der Fahrleistung führt. In diesem Fall sprechen wir von einem Rebound-Effekt. Es ist derselbe Rebound-Effekt, den wir bei neuen Standards zur Kraftstoffeffizienz sehen. Man senkt die Betriebskosten. Das bedeutet, dass wir mehr politische Maßnahmen brauchen um diesen Anreiz mehr zu Fahren zu adressieren. Die Lehre daraus ist, dass wir politische Maßnahmen nicht isoliert als Einzelmaßnahmen betrachten können. Es muss ein Maßnahmenbündel sein. In Kalifornien haben wir eine ganze Reihe von Richtlinien, Maßnahmen und Investitionen der Regierung. Wir brauchen Maßnahmen, welche Mitfahren, Mikromobilität, Partnerschaften zwischen ÖPNV und Mobilitätsunternehmen etc. fördern.
AS: Der ZCAP hat sich in einigen Sätzen positiv über Telearbeit geäußert, aber es scheint viele Beweise zu geben, dass die Menschen mehr Auto fahren, sobald sie von der Arbeit zu Hause bleiben. Wie denken Sie über Telearbeit als Strategie zum Klimaschutz?
DS: Telearbeit ist grundsätzlich eine gute Idee – und wir werden eindeutig mehr davon sehen. Aber die Umsetzung ist begrenzt. Nur einige Menschen und einige Arbeitgeber, meist mit Büroangestellten, können die Vorteile nutzen. Aus Sicht der Arbeitgeber sieht es attraktiv aus, wenn sie Geld für Büroräume sparen, aber es gibt umgekehrt auch beträchtliche Hinweise auf Einbußen bei Produktivität und Kreativität. Es funktioniert auch nicht für viele Einzelpersonen, selbst wenn sie einen Bürojob haben. Sie haben vielleicht Kinder zu Hause, sie haben kein High-Speed-Internet, sie sind leicht ablenkbar und so weiter. Wenn Sie also die Liste der Gründe für Skepsis durchgehen, dann sind das schon einige. Dann haben Sie den Grund, dass Telearbeit hauptsächlich den wohlhabenderen Arbeitnehmern einen Vorteil bringt. Es gibt auch einige Belege dafür, dass der Gesamt-VMT zunimmt, wenn die Leute telearbeiten, oder zumindest nicht abnimmt. Erstens, weil sie in eine abgelegenere Gegend umgezogen sind, in der sie längere Fahrten zum Einkaufen, für Besorgungen und für soziale Kontakte haben, und auch längere Fahrten, wenn sie zur Arbeit gehen. Und zweitens, weil sie das Auto tagsüber häufiger für Besorgungen und aus sozialen Gründen benutzen, wenn sie von zuhause arbeiten. Telearbeit ist also hilfreich gegen Staus, weil sie den Verkehr in überlasteten Gebieten zu Spitzenzeiten reduziert, aber weniger vorteilhaft für die Reduzierung von VMT und Treibhausgasemissionen.
AS: Das ist ein guter Punkt. Ein großer Teil unserer Verkehrspolitik beruht auf der "Bekämpfung von Staus", anstatt sich mit Emissionen zu befassen. Es ist nicht nur die Morgen- oder Abendspitze, die für die Emissionen wichtig ist, jede Fahrt zählt.
DS: Wenn wir es von einem ökologischen Prisma aus betrachten, dann ist Stau nicht schlecht. Staus können gut sein, oder?
Das Interview war so großartig, dass ich es in zwei Teile aufteilen musste. Wenn Sie die komplette Antwort auf diese Frage lesen wollen, wenn Sie erfahren wollen, wie Dan diesen Schwerpunkt für sich entdeckte, was die komplette Geschichte der kalifornischen Vorschriften für emissionsfreie Fahrzeuge ist und was ihn an den letzten 30 Jahren des klimapolitischen Fortschritts im Transportwesen überrascht hat, müssen Sie sich auf Teil 2 in einem der nächsten Newsletter einstellen.
Soweit der erste Teil von Andrews Interview. Wer diesen Post teilen möchte:
Wer nicht auf den zweiten Teil warten möchte: Andrew hat bereits in früheren Newslettern "Wege zur Emissionsfreiheit" seziert (z.B. in UK, Boston und Toronto). Sie sind allesamt empfehlenswert.
Zum Schluss noch eine Eventempfehlung: Im Mai findet die EcoMotion in Israel statt – eine der spannendsten und erfreulichsten Smart Mobility-Veranstaltungen überhaupt. #EcoMotion2021 findet wie immer in Tel-Aviv statt, und wie mittlerweile üblich auch virtuell. Startups können sich jetzt bewerben:
Ich erfreue mich seit 2015 einer schönen, fruchtbaren Partnerschaft mit dem Team und empfehle die Veranstaltung vom Herzen. Weitere Infos auch hier.
Wie immer: Feedback welcome.
Wer Gefallen an rising gefunden hat: gerne abonnieren! (Meist in Englisch.) (Demnächst geht es um das Autoland Deutschland – aus industriepolitische Sicht. stay tuned.)
“Accessibility” kann mit Zugang, Zugänglichkeit, Erreichbarkeit oder auch Barrierefreiheit übersetzt werden. Im US-Transportation-Diskurs wird der Begriff insbesondere in den Dimensionen Zugänglichkeit (ich habe Zugang zu Mobilität, z.B. eine Busstation in der Nähe) und Erreichbarkeit (ich komme dahin, wo ich hin will, z.B. zur Arbeit) benutzt: a measure of the ease with which people are able to get places they want or need to go.
In Deutschland fokussieren wir etwas weniger das Individuum und dessen Bedarf (früher: “Transportfall”) und stärker das System und dessen “Leistungsfähigkeit”.
Ich habe Zugänglichkeit gewählt, weil es dem US-Sinn am nächsten kommt, auch wenn es etwas sperrig klingt.
Es gibt keine 177 Bundesstaaten der USA, nur 50. Aber es gibt im US- Bundesluftreinhaltegesetz (Clean Air Act) die Section 177, welche es anderen Bundesländern erlaubt, anstelle der Bundesstandards die kalifornischen anzuwenden. (Kalifornien darf eigene Standards setzen, weil es vor der Bundesgesetzgebung bereits ein eigenes Luftreinhaltegesetz hatte. Die kalifornischen Standards sind strenger.) “177 states” sind Bundesstaaten, die von diesem Recht Gebrauch machen. Momentan sind dies Connecticut, Delaware, Maine, Maryland, Massachusetts, New Jersey, New York, Oregon, Pennsylvania, Rhode Island, Vermont und Washington.